10 Jahre Neue recht Schrei bung

„Ach, haben die russischen Märchenerzähler wieder zugeschlagen und bieten ihren Schweizer Verehrern eine Möglichkeit sich großspurig aus dem Fenster raus zu hängen? Dumm nur dass das in einer gewaltigen Bauchlandung für diese endet, (…)“.
Zitat aus einem Leserbrief auf srf online, 15.11.14, mit der Anmerkung, dass eine Bauchlandung eventuell noch zu überleben wäre, im Gegensatz zum sich Hängen, am Galgen oder zum Fenster raus, erst recht, wenn es großspurig gehandhabt wird, dafür ohne Satzzeichen.
Eigentlich müsste ich als Wort-Komiker Freude an dem Mist haben, der da infolge der Grossen Deutschen Recht Schreibe Reform zusammengeschrieben wird, gerade weil so viel nicht mehr zusammen geschrieben wird. Meine Sammlung von schrägreformierten Wendungen der Neuen getrennt Schreibung (oder heisst es neuen Getrenntschreibung ?) enthält makabre wie vergnügliche Exemplare. Hier ein paar davon, weitere gerne auf Anfrage.
„Hillary Clinton und Barack Obama liegen praktisch gleich auf.“ Es war kein republikanischer Hetzer, der mit diesem Satz unverdauliche Demokraten in die Pfanne hauen und gleichzeitig für ungeniessbar erklären wollte. Nein, solches schrieb srf online am 5.2.2008 zu den Vorwahlen der Demokratischen Partei, vermutlich ohne bewusste kannibalische Hintergedanken. Ebenfalls ohne schrägen Blick auf die Polizei textete „Blick online“: „Die bisher grösste Menge Heroin, total 53 Kilo, hatte die Zürcher Polizei 1996 sicher gestellt.“ Es wäre ja üble Nachrede, wenn nicht Beamtenbeleidigung, der Polizei zu unterstellen, es sei vermutlich sicher, dass sie das Heroin gleich selber gestellt habe, um einen Fahndungserfolg sicherzustellen. Aehnlich das Missverständnis im werbemail einer online-Spielbank: „Das Leitmotiv dieses Casinos ist es sie zufrieden zu stellen“. Und der Polizei zu übergeben, weil diese zu wenig Heroinfunde ausweisen kann ? Mit „sie“ ist übrigens „Sie“ gemeint, also der erhoffte Casino-Kunde. Aber die Frage der gross Klein Schrei bung ist im mail- und socialmedia-zeitalter auch nicht mehr so wichtig wie die Kommasetzung die auch gemäss Duden grosszügiger gehandhabt werden darf aber das ist wieder ein anderes Thema nicht wahr.
„Wir haben einer grossen Mannschaft gegenüber gestanden“, zitiert srf online am 28.6.15 Kolumbiens Fussball-Torhüter Ospina. Was haben die Kolumbianer den Argentiniern gestanden ? Dass sie absichtlich verloren hätten ?
„Die maroden Wasserleitungen unseres Clubhauses werden still gelegt.“ Welches Sportvereinsorgan solches vermeldete, werde ich nicht preis geben (oder heisst es Preis geben, verdammt nochmal, oder noch mal ?!). Schliesslich sind da fachkundige und ehrenamtliche Krampfer am Werk. Und sie ehren amtliche Kontrollen, weil sie ja nur sprachlich still und heimlich kaputte Leitungen gelegt haben (nicht „sprachlich, still und heimlich“, denn dann hätten sie wirklich).
„Um 8.15 Uhr Ortszeit wirft der US-Bomber «Enola Gay» die erste Atombombe über der japanischen Stadt Hiroshima ab. Die Stadt wird dem Erdboden gleich gemacht.“ Makabre Aktualität des Gegenteils.
Da wirkt das folgende Zitat aus einer ansonsten PPPP (perfekten Power-Point-Präsentation) schon fast tröstlich: „zu Nichte machen“. Da mag sogar der Neffe lachen.
Und noch aus der website eines Seerestaurants, das eine Angestellte sucht: „Stellenantritt: nach über Einkunft“. Dieses letzte Beispiel aus dem weiten Feld des verzweifelt vorauseilenden Getrenntschreibe-Gehorsams soll zeigen, warum ich nur „eigentlich“ Freude habe an dem Ganzen. Die Rechtschreibereform trat ja an, um den „normalen“ Schreibenden die Rechtschreibung und damit die Kommunikation einfacher zu machen – und hat das Gegenteil erreicht. Und das ist auch das Gegenteil von lustig.

 

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